Weithin sichtbar - die Heilig-Kreuz-Kapelle bei Mertloch (Foto: Ulrich Siewers)
Auf einer Kuppe liegt weithin sichtbar auf einer Anhöhe unweit der L 82 zwischen Mertloch und Naunheim die Heilig-Kreuz-Kapelle. Von
Mertloch aus führt ein Weg mit 14 Kreuzwegstationen zu dem weiß gestrichenen
Saalbau mit Schieferdach und Dachreiter, dessen Spitze von einem Wetterhahn
geschmückt wird. Um die Geschichte dieser Kapelle ranken sich zahlreiche Legenden.
Die Spukgeschichten im Zusammenhang mit der Heilig-Kreuz-Kapelle, die sowohl bei Einheimischen als auch im Internet kursieren, basieren sämtlich auf naiver Unwissenheit und krankhafter Fantasie. Die Redaktion von Osteifel-aktiv hat keine Mühen gescheut und versucht, wahrheitsgemäß die Hintergründe zu recherchieren, um sie an dieser Stelle zu veröffentlichen.
Der Abschlussstein über dem Eingang trägt das Wappen der Adelsfamilie von Metternich (Foto: Ulrich Siewers)
Ursprünglich galt der Besuch des Fotografen der exponierten Lage und der Schönheit des Bauwerks inmitten der fruchtbaren Äcker des Maifeldes. Bei näherer Betrachtung fielen ihm das Wappen der überregional bekannten Adelsfamilie von Metternich mit den drei Muscheln und die Jahreszahl 1754 auf dem Türbogen ins Auge und erregten augenblicklich seine Neugier.
Bereits vor Jahren hatten ihm zwei einheimische Senioren übereinstimmend berichtet, dass die Kapelle von einem „einheimischen Junker“ als
Sühneakt errichtet worden sei, der während einer Jagd versehentlich seinen Bruder erschossen hatte. Ob es
sich dabei genau um den Bruder, einen nahen Verwandten oder eine andere Person
handelte, lag bis bis dahin weitgehend im Dunkeln. Immerhin: Das Jagdprivileg befand sich
damals ausschließlich im Besitz des Adels. Naheliegend lag die
Vermutung, dass die hochadelige Familie Derer von Metternich in die Hintergründe der
Bluttat verwickelt war.
Herrschaftliche Jagd im 18. Jahrhundert (Repro: Ulrich Siewers)
Im 18.
Jahrhundert war es durchaus üblich, im Herbst groß angelegte
herrschaftliche Jagdveranstaltungen anzuberaumen. Und bei derartigen
"Vergnügungen" des Adels kam es in der Geschichte häufiger zu
"schrecklichen Malheurs". Doch darüber schwieg man in Adelskreisen lieber.
Die Familie derer von Metternich und ihre zahlreichen Nebenlinien gehörten im 17. und 18. Jahrhundert neben der Familie von der Leyen, den Waldbotten von Bassenheim und der Familien der Eltzer Grafen zu den dominierenden Adelsfamilien im Fürstentum Kurtrier.
Die Grafen von Metternich residierten im 18.
Jahrhundert in Koblenz und besaßen zahlreiche Ländereien im Eifelraum,
darunter auch im Maifeld bei Naunheim und Mertloch.
Man muss nicht unbedingt ein Fan von Eifelkrimis sein, um sich bei diesen Informationen die Frage zu stellen, aus welchem Grund jemand in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein derartig kostspieliges Denkmal inmitten der Feldflur am alten Verbindungsweg Münster(maifeld) - Mayen errichten ließ.
Laut Wikipedia waren die Grafen von Metternich
im 18. Jh. Besitzer der Burg Naunheim, des dazu gehörenden
Burghofes sowie des sogenannten „Kleinen Hofes“. Die Reste der
mittelalterlichen Wehranlage wurden in den 20er Jahren des 20. Jh. niedergelegt. Übrig geblieben ist in Naunheim nur noch der Name
"Burgstraße" und die drei Muscheln im Wappen der Gemeinde.
Ortswappen von Naunheim
Wappen über dem Eingang von Haus Metternich in Koblenz (Repro: Ulrich Siewers)
Der Burghof in Naunheim gehörte nach unseren Recherchen in der Mitte des 18. Jahrhunderts der einflussreichen Winneburg-Beilsteiner Linie Derer von Metternich, die nach der Zerstörung ihrer Burgen durch die französischen Truppen Ludwig XIV. im Jahre 1689 in Koblenz residierten. Ein gesellschaftlich bedeutender "Event" wie etwa eine groß angelegte Herbstjagd im Maifeld passt gut in das Bild des barocken adeligen Lebensstils. Der sicherlich kostspielige Bau der Kapelle geschah auf Veranlassung des Hauses Metternich zu Koblenz.
Ein weiteres Indiz für diese Annahme ist der
Pachtvertrag zwischen der Gräflich Metternich'schen Kanzlei und dem
Hofmann (Pächter) Josef Weckbecker von 1791, der letzteren
verpflichtete, alljährlich dem Pfarrer von Naunheim eine alljährliche
"Fruchtrente für Messen in der Kreuzkapelle" bei Mertloch zu zahlen.
Wappen und Inschrift über dem zugemauerten Seiteneingang (Foto: Ulrich Siewers)
Für die
Richtigkeit der Annahme, dass die Kapelle als Sühnemal für ein zu Tode
gekommenes Familienmitglied errichtet wurde, sprechen nicht nur das
Wappen der Metternichs über den Eingang, sondern auch noch ein weiteres
über dem zugemauerten Seiteneingang. Ein ungelöstes Rätsel bildet jedoch noch immer die Inschrift E F 1657 V M. Wir bleiben dran!
Das
Wappen Derer von Metternich mit den drei Muscheln finden wir noch einmal in der Grablege zu Füßen der Christusfigur.
Bei dem zu Tode gekommenen Adeligen handelte es sich um Graf Johann Hugo Franz Wolfgang von Metternich-Müllenarck (*1696 - †1754), der in seinem kurzen Leben zahlreiche Güter rund um Euskirchen und Weilerswist erwarb. Er residierte u.a. sowohl in Neckarsteinach (heute Kreis Bergstraße, Hessen) und auf Burg Müllenark bei Düren (heute Nordrhein-Westfalen). Johann Hugo ist das einzige Familienmitglied derer von Metternich, dessen gewaltsamer Tod (by accident) am 11.Oktober 1754 gleich von mehreren Quellen bestätigt wird.
Wappen (von Metterich/von Harff-Dreiborn) über der Einfahrt der ehem. Burg Müllenark (Repro: Ulrich Siewers)
Nach seinem gewaltsamen Tode am 11. Oktober 1754
zerfiel sein Erbe mangels männlicher Nachkommen. Johann Hugos hoch
verschuldeter Besitz wurde konfisziert und weiter verkauft. Dennoch
wurde der Lebensunterhalt für die verbliebenen Damen der Familie
seltsamerweise weiterhin gewährleistet. War dies möglicherweise die
Sühne für einen nicht beabsichtigten tödlichen Unfall im Rahmen einer
adeligen Jagdpartie bei Mertloch?
In diesem Fall steht ein gewisser Jacques Paul DeVillers Masbourg im Verdacht, den gewaltsamen Tod des Grafen von Metternich ohne vorsätzliche Absicht herbei geführt zu haben. Dieses Mitglied eines eher wenig bekannten Adelsgeschlechts gehörte entfernt zu der Linie Metternich-Bourscheid aus der heute belgischen Provinz Luxembourg in der Wallonie, die wiederum mit dem Getöteten verwandtschaftlich verbunden war. Außerdem wissen wir, dass die Aufwendungen für die Hinterblieben von Johann Hugo Franz Wolfgang von Metternich-Müllenarck von ihm bezahlt wurden, bevor er selbst, mittlerweile weitgehend veramt, 1783 in Cheoux, einem Flecken bei Rendeux (im heute belgischen Kanton Luxembourg) starb.
Wie seinerzeit üblich, wurde die Geschichte in den blaublütigen Familien intern geregelt. Und ein Recht auf Information der Öffentlichkeit gab es im 18. Jahrhundert bekanntlich noch nicht.
Verzicht auf den Prunk des Rokoko - das Innere der Kapelle (Foto: Ulrich Siewers)
Auf
dem Altarstein im Innern erhebt sich Jesus am Kreuz, flankiert von Darstellungen
der Hl. Anna und des Apostels Johannes. Die lebensgroßen Figuren sind aus
Tuffstein gearbeitet und farbig bemalt.
In der rechten Seitenwand befindet sich
eine Grablegungsnische mit dem Leichnam Jesu in gleicher Darstellungsweise.
Die ganze Kapelle wirkt trotz ihrer Schönheit ein wenig kühl - Elemente des zeitgenössischen Rokoko sucht man vergeblich (bis auf das Wappen derer von Metternich zu Füßen des Heilands). Die verblasste Wandmalerei in der Grabnische scheint nicht ursprünglich zu sein, denn sie weist keine zeittypischen Stilelemente wie z. B. Rocaillen auf.
(Fotos: Ulrich Siewers)
Die Heilig-Kreuz-Kapelle wurde im Lauf ihres Bestehens mehrfach umgestaltet. Bei den letzten Renovierungsarbeiten wurden vorhandene Reste der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Wandbemalungen einfach weiß überstrichen. Rückschlüsse auf die ursprüngliche Ausgestaltung des Innenraumes gingen dabei endgültig verloren.
Die figürliche Darstellung der Pieta in der großen Wandnische neben der Grablege weist einige besondere Merkmale auf. Das Antlitz der Frauengestalt zeigt nicht den großen Schmerz über ihren toten Sohn auf dem Schoß, sondern strahlt eher Güte und Zuversicht aus. Mit ihren großen Händen, dem rundlichen Gesicht und Körper sowie dem eher schlichten Gewand erinnert sie an eine einfache Frau vom Lande, die sich ihrem Schicksal in Gott ergeben zeigt. Vielleicht ist das genau der Grund, warum die bodenständigen Menschen der Umgebung seit Jahrhunderten zu ihr pilgern.
Die einfachen Menschen der Umgebung vertrauen
ihre Sorgen und Nöte auch heute noch Maria an im festen Glauben an ihre
Fürsprache bei Gott (Foto: Ulrich Siewers)
Ausdruck Eifeler Volksfrömmigkeit - Maria hat geholfen (Foto: Ulrich Siewers)
Zahlreiche Votivtafeln an der Rückwand der Kapelle zeugen
von Pilgern, die regelmäßig den Ort besuchen, um ihre privaten Anliegen der Gottesmutter Maria anzuvertrauen.Es geht ihnen dabei nicht um Anbetung der Gottesmutter, sondern um die Bitte um ihre Fürsprache als Mutter Gottes.
Da im Innern der Platz oft nicht ausreicht, finden Pilgergottesdienste auch im Freien statt (Foto: Ulrich Siewers)
14 Kreuzwegstationen säumen den Weg auf den Hügel mit der Kapelle. Diese Stationen symbolisieren den Leidensweg Christi von der Verurteilung bis zum Tod am Kreuz auf dem Berg Golgota bei Jerusalem. Auch heute finden in der Zeit vor Ostern, insbesondere am Karfreitag in der katholischen Eifel Kreuzwegandachten statt.
Wenn die vorhandenen Plätze in der Kapelle nicht ausreichen, werden Gottesdienste auch im
Freien abgehalten. Zu diesem Zweck wurden neben dem Gotteshaus ein Altarstein und zahlreiche
Bankreihen aufgestellt.
Das
Wegekreuz (datiert 1813) neben der Kapelle sowie zwei kleinere Steinkreuze
beiderseits des Eingangs wurden wahrscheinlich später von anderen Orten der Umgebung hierher
verbracht.
Vor der Kapelle steht eine Informationsstele, die auf die hier verlaufende Zubringerverbindung von Münstermaifeld über Polch nach Mayen zum
Jakobsweg (Eifel-Camino) aufmerksam macht.