Bimswand im Abbaugebiet Nickenich (Foto: Ulrich Siewers)
Der Bims an Rhein und Nette entstand aus schnell erkaltender, gasreicher Lava, die der Laacher Vulkan vor rund 12.900 Jahren über mehrere Tage kilometerweit in die Atmosphäre spuckte.
Die gewaltigen Auswurfmassen wurden durch den Wind überwiegend nach Südosten befördert. Bereits nach wenigen Tagen bedeckten sie das Neuwieder Becken sowie Teile des Westerwaldes und des Hunsrücks wie mit einem Leichentuch. Die schnell erkaltetete, gasreiche Lava wurde zu Bims. Die Ausdehnung der von Bimsschichten von durchschnittlich drei Metern Höhe bedeckten Fläche betrug etwa 250 Quadratkilometer.
Dieser Stein von ca. 8 Zentimeter Länge wiegt gerade einmal 10 Grammund schwimmt deshalb auf Wasser (Foto: Ulrich Siewers)
Bimsstein hat eine amorphe, porenreiche Struktur. Wie bei einem Badeschwamm ist die ganze Masse von unregelmäßig geformten Poren (einstigen Gashohlräumen), die meist nicht miteinander in Verbindung stehen, durchsetzt.
Bei dem Bims des Neuwieder Beckens handelt es sich um einen Gesteinstyp überwiegend phonolithischer Zusammensetzung.
Ein beeindruckendes Abbild vom Verlauf der Naturkastrophe vor 12.900 Jahren bietet die Wingertsbergwand bei Mendig (Foto: Ulrich Siewers)
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Die ersten Schwemmsteine wurden noch aufwändig von Hand hergestellt - wie die Ausstellung im Urmitzer Heimatmuseum zeigt (Foto: Ulrich Siewers)
Die bautechnische Nutzung des Bimssandes kannten bereits die Römer. Sie verarbeiteten ihn unter Zugabe von Kalk und Wasser bereits vor 2.000 Jahren zu wärmedämmenden Bodenbelägen. Auch im Mittelalter hat man bereits Fachwerkgefache mit Steinen aus Bimssand und Lehm ausgemauert.
Mittels einer Lorenbahn wurde der Bimssand aus den Gruben zu den Produktionsstätten verbracht (Repro: Ulrich Siewers)
Die Herstellung von Schwemmsteinen begann in der Mitte des 19.Jahrhunderts in Handfertigung. Der überall zwischen Nette und Rhein reichlich vorhandene Bimssand wurde anfangs mit Kalkwasser (Kalkmilch), später mit Zement vermischt. Der so entstandene „Speis“ wurde anschließend auf „Klopptischen“ in Steinformen gefüllt und mit einem Eisendeckel, der Plötsch" verdichtet. Nachdem der so entstandene Rohstein aus der Form befreit wurde, landete er auf einem Brett. Diese Bretter wanderten anschließend in Gerüste (Arken), wo die Steine einige Wochen an der Luft trockneten, bevor sie schließlich in den Versand gelangten.
Neuer Absatz
Im Museum der deutschen Bimsindustrie können Besucher die harte Arbeit der "Bimsklöpper" praktisch nachvollziehen (Foto: Ulrich Siewers)
Auf langen hölzernen Gestellen, den Arken, trockneten Schwemmsteine mehrere Wochen, bevor sie zum Transport kamen (Repro: Ulrich Siewers)
Umschlag der fertigen Schwemmsteine von der Lorenbahn auf die bereitstehenden Waggons der Deutschen Reichsbahngesellschaft in Urmitz-Bahnhof (Repro: Ulrich Siewers)
Die leichten Schwemmsteine aus dem Neuwieder Becken gelangten per Schiff und per Bahn auch in die entlegensten Regionen Deutschlands. Sie waren leicht, einfach zu bearbeiten und praktisch für vielerlei Anwendungen im Baugewerbe.
Schwemmsteine aus dem Neuwieder Becken als praktischer Ersatz für Lehmgefache auf einem alten Gehöft in der bayerischen Rhön (Foto: Ulrich Siewers)
Handschlagmaschine im Museum der deutschen Bimsindustrie in Kaltenengers (Foto: Ulrich Siewers)
Die Mechanisierung des Herstellungsvorgangs mit der sogenannten Handschlagmaschine setzte etwa ab 1920 ein. Zuvor geschah alles in Handarbeit bei Wind und Wetter meist unter freiem Himmel. Auch Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, schufteten wie die erwachsenen „Bimser“ mindestens 12 Stunden am Tag, in der Regel ohne Pausen.
Durch zunehmende Mechanisierung in den 1920-er Jahren wurde die Produktivität der Betriebe verbessert (Repro: Ulrich Siewers)
Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-18) kam es im Rheinland zu großen Betriebseinschränkungen und Absatzschwierigkeiten in der Bimsindustrie. Um die Probleme zu überwinden, schlossen sich die meisten Unternehmen zu einem Absatzkartell zusammen, dem „Rheinischen Schwemmsteinsyndikat“. Ferner setzten sie auf weitere Mechanisierung in der Produktion, Verkürzung der Trockenzeiten durch neue Bindemittel sowie Erweiterung der Produktpalette um z. B. Hohlblocksteine und Stegkassettenplatten >>> mehr
Automatische Stampfmaschine um 1920 - der "Arbeiter" links im Bild ist offensichtlich noch ein Kind (Repro: Ulrich Siewers)
Neubausiedlungen wie diese wuchsen in den 1950-er Jahren überall in der Bundesrepublik aus dem Boden (Repro: Ulrich Siewers)
Von Bomben zerstörte Städte und Dörfer, der Zustrom von Millionen Heimatvertriebenen und die daraus resultierende Wohnungsnot zwangen die Verantwortlichen anfangs der1950-er Jahren zu einer aktiven Wohnungspolitik. Diese mündete in das I. (1950) und II. (1956) Wohnungsbaugesetz.
Im Zuge der steigenden Baukonjunktur in den Jahren des „Wirtschaftswunders“ war aus dem stillen Neuwieder Becken bald ein „bundesdeutsches Klondike“ (DER SPIEGEL9/1954) geworden.
Bereits in den 1950-er Jahren waren sich die Protagonisten der Bimsindustrie über die Endlichkeit der Vorkommen des „Weißen Goldes“, wie man den Bimssand auch nannte, an Rhein und Nette bewusst. Außerdem sahen sich die „Einheimischen“ zunehmend von „Ausländern“ in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg bedrängt, die den relativ billigen Rohbims in großen Mengen aufkauften um ihn an eigenen Standorten zu Bimssteinprodukten zu verarbeiten. Aus diesen Gründen entwickelte sich im Jahr 1953 ein regelrechter Wirtschaftskrieg um die Bimsvorkommen.
Lesen Sie dazu einen spannenden Artikel in der Wochenzeitschrift DER SPIEGEL aus dem Jahr 1954 >>> hier
Eine ausgebimste Grube bei Plaidt wird wieder verfüllt (Foto: Ulrich Siewers)
Das „weiße Gold“, lag z. B. bei Kruft in einer Mächtigkeit von 3 bis 7 Metern unter einer Humusschicht von einem halben bis zwei Metern. Um sich die Schürfrechte zu sichern, mussten die Bimsunternehmen 1954 den Bauern für einen Claim von 2,5 Morgen (0,625 Hektar) oft in bar auf die Hand rund 22.500 DM bezahlen. Dabei ging dem Bauern nicht einmal sein Land verloren. War das Areal „ausgebimst“, musste es wieder mit Mutterboden aufgefüllt und anschließend planiert werden.
Da sich weder die Steine- und Erden-Industrie noch erst recht nicht die Bauern einer Sünde bewusst waren, wurde das „Weiße Gold“ dem Erdboden mit modernsten technischen Geräten entrissen und zu Baumaterial verarbeitet. Der Begriff „Umweltschutz“ spielte dabei, solange die Bimsvorkommen reichten, keine besondere Rolle.
Zwischen Andernach, Nickenich und Kruft entstand auf diese Weise in wenigen Jahrzehnten ein ganz spezifisches Landschaftsbild. Manch einer verdiente mit dem Bims Millionen, andere gingen Pleite oder gaben rechtzeitig auf. Verfallene Industriebrachen erinnern noch heute an das „bundesdeutsche Klondyke“.
Eines der zahlreichen Relikte, die an das "bundesdeutsche Klondyke" erinnern (Foto: Ulrich Siewers)
Moderner Betrieb für Leichtbetonsteine in Kruft (Foto: Ulrich Siewers)
Nur wenige spezialisierte Unternehmen im Osteifelraum stellen heute noch Bimsprodukte her. Die einst riesigen Bimsvorkommen an Rhein und Nette sind noch nicht endgültig erschöpft, aber die Kosten für die Renaturierung der ausgebimsten Flächen sind wirtschaftlich kaum noch zu bewältigen. Zur Ressourcen-Schonung nutzen und verwenden diese Betriebe für ihre Produktion heute bevorzugt Ersatzstoffe oder auch Auslandsbimse, vor allem aus Island und den Mittelmeer-Anrainerstaaten..
Mehr über die moderne Herstellung von Baustoffen aus Bims finden Sie >>> hier
Pioniergehölze wie Birken und Weiden besiedeln schon bald Orte wie diesen ehemaligen Trockenplatz für Bimssteine (Foto: Ulrich Siewers)
Wie wir mittlerweile wissen, entwickeln sich aufgelassene Steinbrüche, Kies- und Tongruben nach der Stillegung in erstaunlich kurzer Zeit auch ohne menschliches Zutun zu überaus bemerkenswerten Sekundärlebensräumen für Pflanzen und Tiere. So entstand aus mancher stillgelegten Bimsgrube ein wertvolles Biotop aus zweiter Hand inmitten unserer intensiv genutzten, biologisch verarmten Zivilisationslandschaft. Auf den ehemaligen Trockenplätzen der Bimsindustrieentwickelten sich typische Magerrasen-Lebensgemeinschaften, nisten Eulen und Fledermäuse in den Ruinen der Maschinenhäuser und Trafostationen. Selbst Arten, die als stark gefährdet gelten („Rote Liste“), haben die von Menschenhand geschaffenen Ersatzlebensräume längst erobert.
Das wohl
bekannteste Biotop im ehemaligen Bimstagebau ist der Krufter „Waldsee“ (Foto: Ulrich Siewers)
Auf dem großen Freigelände an der Rübenacher Straße erleben große und kleine Besucher hautnah alles, was mit der Produktion von Schwemm- und Leichtbetonsteinen zu tun hat (Foto: Ulrich Siewers)
Im April 2014 wurde der Vulkanpark und
somit die Region Osteifel um eine weitere Attraktion bereichert. Auf dem Freigelände
einer stillgelegten Fabrik für Leichtbetonsteine in Kaltenengers erfahren
kleine und große Besucher alles über die Produktion von Leichtbetonsteinen, deren
wesentlicher Grundstoff aus der Tiefe des Laacher Vulkans stammt, dem Bims >>> mehr
Vom Naturphänomen zum Wirtschaftswunder
Im Juli 2013 wurde der Öffentlichkeit ein bemerkenswertes Buch über die Geschichte der Bimsindustrie im Neuwieder Becken vorgestellt. Der Historikerin Dr. Hildegard Brog, selbst in einem Bimsbetrieb aufgewachsen, ist es gelungen, auf 184 Seiten wissenschaftlich fundiert und doch leicht verständlich die facettenreiche Geschichte und die wirtschaftliche Bedeutung des vulkanischen Rohstoffes Bims darzustellen. Ergänzt werden die akribisch recherchierten Fakten vor allem durch authentische Aussagen noch lebender Zeitzeugen, die Brog in Form von Interviews gesammelt hat. Die zahlreichen historischen Schwarz-Weiß-Fotos und Grafiken vervollständigen das Gesamtbild.
Die Geschichte der Bimsindustrie im Neuwieder Becken auf 184 Seiten (Foto: Ulrich Siewers PR)
Das Fazit von Osteifel-aktiv: Das vorliegende Werk schließt eine bisher vorhandene Lücke in der Regional- und Wirtschaftsgeschichte der Osteifelregion und des Neuwieder Beckens auf vortreffliche Art und Weise.
Dr. Hildegard Brog
Vom Naturphänomen zum Wirtschaftswunder
Leinen gebunden mit Schutzumschlag, 184 Seiten. Format 17 x 16,3 cm Mercator Verlag; Duisburg ISBN 978-3-87463-529-5 26,00 €
Im Buchhandel oder beim Verein
Kulturelles Erbe der Bimsindustie e.V. Sandkauler Weg 1 56564 Neuwied